Donnerstag, 28. März 2013

Sommerschlussverkauf



TEIL 1: Vor dem Verkauf

Der neuseeländische Herbst meldet sich in diesen Tagen zurück, die Nächte sind wieder deutlich kälter und auch die Sonne zeigt sich erst am späteren Morgen. So war es auch am Sonnabendmorgen um sechs Uhr noch stockfinster und kalt. Dennoch trotzten wir der frühen Stunde und machten uns auf den Weg zum Auckland Car Fair City Market, um unser Auto pünktlich nach Markteröffnung einem potenziellen neuen Besitzer aus erster Reihe zu präsentieren. Durch den Verkauf hofften wir uns vor der bevorstehenden Jahreszeit auf dem Zeltplatz drücken zu können.
Dementsprechend waren wir eines der ersten „Verkäuferteams“, das sich eine Poleposition unter den Verkaufsplätzen sichern konnte. Mit herausgeputztem, gewaschenem, polierten und gesaugtem Fahrzeug, so sauber wie unser Auto auf unser gesamten Reise nicht war, machten wir uns euphorisch an die erste von fünf gegeben Verkaufsstunden, um unserem Gefährt hoffentlich bald einen neuen Besitzer zu verschaffen. Dabei stand auf der Stellfläche neben uns ein französisches Pärchen, welches es mit der Verkaufsvorbereitung nicht so ernst genommen hatte wie wir es taten, sondern noch im letzten Moment versuchten mit einem Lackstift ihre Kratzer zu retuschieren.
Aus der ersten Stunde wurde schnell die Zweite. Der Markt zählte nun in etwa 20 Backpackerpärchen, welche wie wir auch ihre Fahrzeuge loswerden wollten. Nur von etwaigen Interessenten fehlte leider noch immer jede Spur. Die Sonne stieg schon hoch in den Himmel, somit auch der Frust und der daraus resultierende Appetit. Im Laufe des Vormittages schlossen wir Freundschaft mit unseren französischen Nachbarn, versuchten uns bei Laune zu halten und verabredeten uns, weil sich die Öffnungszeit des Markts langsam, erfolglos dem Ende neigte, schon für den größeren, sonntäglichen Gebrauchtwagenmarkt in einem anderen Stadtteil von Auckland.
Um ein Uhr am Nachmittag hatten wir nicht mehr als fünf Kunden gesehen, von denen uns oder unserem Auto nicht einer eines Blickes würdigte. Vielleicht waren selbst diese nur Touristen, die sich zufällig dorthin verirrt hatten. Am Ende dieses Markttages blieb uns lediglich das Gefühl, unsere 25$ Eintrittsgeld für die drei fetten, schmierigen Marktleiter investiert zu haben, die neben pausenlosem Rauchen und Kaffeetrinken nur noch  damit beschäftigt waren, ihre eigenen Kombis und Camper Vans zu verkaufen und sich dabei belauschen ließen, wie sie sich arrogant über all die Langzeitreisenden lustig machten, die sich vor dem Ende ihrer Reise noch gezwungener Weise von ihren Reisebegleitern trennen mussten.
Samstagabend ließen Paula und ich den nicht ertragreichen, gefloppten Geschäftstag Revue passieren, dachten uns neue Verkaufsstrategien aus und trafen preisliche Absprachen für die hoffnungsvolle zweite Chance.
Auf gleiche Weise wie den Tag zuvor gestalteten wir auch unseren Sonntagmorgen.
Beim Eintreffen auf dem Gebrauchtwagenmarkt stellten wir verheißungsvolle Unterschiede fest. Die Marktfläche war zehnmal so groß und auch die Organisation, diesmal durch eine indische Großfamilie, lief deutlich professioneller ab. Wir bekamen einen Stellplatz entsprechend unserer Verkaufspreissparte zugewiesen und kurz darauf gesellte sich auch unsere französische Bekanntschaft wieder auf eine freie Stelle neben uns. Während sich unser Verkaufspreis am Tag zuvor noch im fairen Mittelfeld befand, waren hier nun alle Preise gleich. Das Verwirrende dabei war, dass sich auf Grund des Preises keinerlei logische Rückschlüsse auf Wartung, Pflege, Alter und Zustand des zu verkaufenden Kraftfahrzeuges fällen ließen. Es kosteten alle Autos - von der 20 Jahre alten Schrottkiste bis zum gepflegten neueren Fahrzeug, wie wir unseres einschätzten - ungefähr das Gleiche. Der Markt füllte sich mit circa 200 Gebrauchtwagen. Für die 50 interessierten Käufer, welche die Autoreihen immer wieder auf und ab gingen, um die stündlich sinkenden Preise zu vergleichen, zählte nur, dass das Auto billig, silbern oder schwarz war.
Mit eben der Ausnahme, dass der Sonntagmarkt größer war, als der am vorherigen Tag, lief er für uns ziemlich ähnlich ab. Bis eine Stunde vor Marktende, zog unser grüner Flitzer keinen einzigen denkbaren neuen Besitzer an. Natürlich blieb uns nicht viel anderes übrig als unseren Verkaufspreis drastisch zu senken, falls wir uns nicht am nächsten Osterwochenende wieder in der gleichen aussichtslosen Situation wiederfinden oder von einem gewitzten auckländischen Autohändler ein dann wohl unumgänglich schlechtes Geschäftsangebot machen lassen wollten. Wir glichen den Preis dem Einheitspreis des Gebrauchtwagenangebots an und zogen somit unseren ersten „Vielleichtkäufer“ an: Einen zu schweren Deutschen, dem nach zwei Wochen Radfahren durch Neuseeland höchstwahrscheinlich die Puste ausgegangen war, weil er nun gewappnet mit Taschenlampe und Notizblock nach einem neuen fahrbaren Untersatz suchte. Er inspizierte das ihm vorstehende Fahrzeug akribisch und erzählte dabei die sagenhaftesten Geschichten, was mit unserem Auto alles nicht korrekt sein würde. Trotzdem interessierte er sich sehr und meinte nach der Probefahrt, nachdem er feststellte: „Ich bin sehr groß!“ und deshalb kaum hinters Lenkrad passte, er schaue sich nur noch kurz um und komme dann wieder zu uns zurück…
Die nächsten Interessenten waren ein besonders unsympathisches irisches Pärchen. Dieses wollte uns in unserer schier ausweglosen Lage dreist über den Tisch ziehen, indem sie versuchten den Preis unverschämt weit nach unten zu drücken. So hatten wir uns das nicht gedacht. Sie probierten, sämtliche Fahrzeugmakel aufzuzeigen, wobei man nur noch den Kopf schütteln konnte. Auch ihre Leidensgeschichte, sie seien gerade erst im neuen Land angekommen, hätten sehr wenig Geld und bräuchten alles nötige um sich in Neuseeland ein neues Leben aufzubauen, wollten wir diesen beiden wohlgenährten, etwas versoffenen zwei Gestalten nicht ganz abnehmen…
Der Markt war jetzt wirklich fast gelaufen, und dass unsere französischen Nachbarn ihren alten zerkratzten, aber eben schwarzen Wagen schon verkauft hatten, beflügelte unseren Mut nicht zu sehr.
Paula kam gerade von einem Marktrundgang zurück, bei dem sie die Preise der benachbarten Autos in Erfahrung brachte, als ein neuseeländischer uriger Vati mit seinem schüchternen Spross auf uns zu kam und unser Angebot genauer unter die Lupe nahm. Mit vereinten Kräften versuchten wir alle Vokabeln, die wir im Zusammenhang mit einem PKW gebrauchen konnten herunter zu beten. Dieser letzte Kraftaufwand verhalf uns dazu, eine Probefahrt geben zu können und der Rest war Geschichte.
Mit einem kleinen Verlust bekamen wir  auf diese Weise unseren treuen Wegbegleiter unter den Hammer. Nach einem feuchten Handschlag nahmen wir kurzen, schmerzlosen Abschied von unserem Campingmobil, welches wir die letzten sechs Monate bezogen hatten.  Die Trennung fiel uns aber nicht allzu schwer, da wir nun auch endgültig „Lebe Wohl“ zu der Luftmatratze  sagen konnten.


TEIL 2: Nach dem Verkauf

Nun waren wir also endgültig heimatlos, hatten mit dem Auto auch den letzten Anhaltspunkt in Neuseeland verloren und sowieso eigentlich schon alles gesehen und erlebt. Kurz: Hier hielt uns nichts mehr. Hier wollten wir keine Sekunde länger als nötig mehr bleiben.
Deswegen geisterte uns schon seit einigen Tagen die Idee durch die Köpfe, unseren Flug umzubuchen, um Ostern Zuhause verbringen zu können. Wir nahmen also das Angebot unseres Kunden an, uns von ihm am Flughafen absetzen zu lassen, um dort am Schalter herauszufinden, was möglich wäre.
Mental waren wir sofort zum Abflug bereit, hatten alles Gepäck schon kompakt verstaut, um es auf den Flughafentrolley zu laden. Wir malten uns schon aus, im kalten Deutschland zu landen und im Schnee Ostereier zu suchen, also Ostern zu feiern und Weihnachten nachzuholen. Doch wahrscheinlich sind wir immer noch zu naiv, was die neuseeländische Verantwortlichkeit angeht, denn am Flughafenschalter wollte und konnte uns wieder einmal niemand weiterhelfen. Stattdessen bot man uns an, uns doch an eine computergesteuerte Hotline zu wenden. Vielen Dank.
Wir wollten nichts unversucht lassen, denn hätte sich für uns im Nachhinein herausgestellt, dass eine Umbuchung einfach und günstig möglich gewesen wäre, hätten wir uns ganz schön geärgert.
Wir warteten am Flughafen, auf unseren Trolleys sitzend und die letzten Vorräte verbrauchend, bis wir endlich die Servicehotline in Deutschland erreichen konnten. Dort jedoch wurde uns mitgeteilt, dass eine Umbuchung bei unserem Tarif bloß für 2000€ möglich wäre. Das hätten wir nicht erwartet, mussten aber leider vernünftig denken und entscheiden, die nächsten zwei Wochen noch hier zu erdulden. Ein bisschen enttäuscht und geknickt waren wir schon, da alles darauf hinauslief, dass wir nun nochmal Aucklands Hostelleben genießen durften.
Nach dem Telefonat war es aufgrund der Zeitverschiebung nach Deutschland schon zu spät, sich noch auf die Suche nach einem nicht überfüllten Hostel zu machen. 
Marten erinnerte sich an den Film „Terminal“, in dem Tom Hanks als heimatloser Tourist weder aus- noch einreisen kann, wochenlang auf einem Flughafen lebt und sich dort häuslich einrichtet. Wir ließen uns von Tom Hanks inspirieren und versuchten, es uns wenigstens für eine Nacht am Flughafen bequem zu machen. Mit dieser Idee waren wir nicht alleine. Nachts gleicht so ein Flughafen einem Hotel für Obdachlose, die sich in jede Nische und auf jede Bank kuscheln, um zwischen lauten Putzarbeiten ein bisschen Schlaf zu finden.  Für ein paar Stunden dösten auch wir vor uns hin und fühlten uns eigentlich ganz wohl, da es nicht ganz so kalt wurde wie in den letzten Nächten in unserem Auto.
Am frühen Morgen kochte ich uns noch einen heißen Porridge in der Mikrowelle des Flughafenwickelraums, so dass wir gestärkt genug waren, uns wieder in Aucklands-Stadtgetümmel zu begeben. Schwer bepackt machten wir uns auf die Suche nach einer Bleibe für die nächsten zwei Wochen. Bereits das zweite, von uns angesteuerte Hostel quoll nicht aus allen Nähten, sondern hatte ein kleines Doppelzimmer für uns übrig. Für dieses Zimmer zahlen wir bloß so viel, wie wir in Aucklands Stadtzentrum für einen 8-Personen-Schlafsaal hätten zahlen müssen. Es ist alles sehr sauber, gut ausgestattet und in einer halben Stunde Fußmarsch sind wir im Stadtzentrum.
Ein paar Stunden nach unserer Ankunft erfuhren wir auch, warum das „Oaklands“-Hostel uns so angenehm, gepflegt und un-kiwimäßig erscheint: Es wird von Franzosen betrieben. Ein Großteil der Hostelbewohner sind gleichzeitig Hostelangestellte, die sich fast darum schlagen, arbeiten und sauber machen zu dürfen. Wir haben hier ja schon mehrere Arbeitslager erlebt, aber ein so angenehmes war uns bisher noch nicht begegnet. Hier werden wir bis zum Schluss unserer langen Reise bleiben.
Wir tun jetzt so als wären wir Touristen, die gerade in Auckland angekommen sind und nun zwei Wochen Urlaub in einer großen Stadt vor sich haben. Jeden Tag laufen wir an ein anderes Ende der Stadt und freuen uns über das schöne Wetter, welches sich eingestellt hat, seitdem wir nicht mehr darauf angewiesen sind. Mit unserer durch den Autoverkauf etwas aufgefrischten Reisekasse lassen wir es uns nun noch einmal gut gehen und können doch noch auf freundschaftliche Weise von Neuseeland Abschied nehmen. 

Ein Blick aufs schwarze Brett gibt einen kleinen Vorgeschmack auf das...

...Überangebot auf dem Gebrauchtwagenmarkt

Ungewohnt viel Raum um uns herum!


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