Mittwoch, 13. März 2013

Erfroren am Hot Water Beach



Letzte Woche bekamen wir einen kleinen Vorgeschmack darauf, was es heißt, nach Hause kommen zu dürfen. Dazu gehören liebe Menschen, die einen freudig erwarten, die Gemütlichkeit einer Katze auf dem Sofa und natürlich das Schlafen in einem Zimmer in einem richtigen Bett.
Bei Anne und ihren Kindern in Hamilton wurden wir wieder so lieb empfangen, dass wir uns dort gleich für vier Nächte einnisteten. Der kleine Johnny und seine Katze Sparky räumten sogar ihr Zimmer, sodass wir seit langem endlich mal wieder in den Genuss einer echten Matratze kamen. An so viel Platz könnte man sich schnell wieder gewöhnen…
Doch den ganzen Tag nur den Komfort des Bettes zu genießen kam für uns nicht in Frage, da sich unser Auto schnell von uns vernachlässigt fühlte und dringend unsere Aufmerksamkeit beanspruchen wollte.
Jetzt, kurz vor dem Verkauf, fielen ihm noch ein paar kleine Wehwehchen ein, mit denen es uns gerne in Erinnerung bleiben wollte.
Beim Starten rief uns der Nissan jedes Mal lautstark in Erinnerung: „Wenn ihr euch nicht noch ein bisschen um mich kümmert, dann werdet ihr mich auch nicht los!“ So könnte das ekelerregende Quietschen zu übersetzen sein, das bei jedem Start vorne unter der Motorhaube ertönte.
Auch die Vorderreifen hatten unverkennbare Spuren der neuseeländischen Straßen behalten: Mittlerweile hatte sich das Profil so weit abradiert, dass teilweise schon das Geflecht unter dem Gummi sichtbar wurde.
So wollten wir nicht noch 500km weiterfahren und das Auto auch niemandem zum Verkauf anbieten. Deshalb ließen wir uns von Anne bezüglich der Autowerkstätten in Hamilton beraten.
Sie empfahl uns den großen Billigreifenanbieter „Budget Tyres“, nicht etwa wegen besonders guter Qualität, sondern vor allem aus Schutz vor Diebstahl. In der kriminellen Szene von Hamilton sei es gerade sehr angesagt, nachts neue Reifen auf Parkplätzen abzuschrauben und durch abgefahrene zu ersetzen. Wer jedoch einen großen gelben Sticker von „Budget Tyres“ an der Heckscheibe prangen lässt, der outet sich bereitwillig, auf gebrauchten Reifen unterwegs zu sein und ist so vor Diebstahl clever und praktisch geschützt.
Bei besagtem „Budget Tyres“ wurden wir durch eine Art Drive Thru gelotst, mit viel englisch-mechanischem Maori-Kauderwelsch begrüßt und als Kategorie „sympathische Touristen“ abgestempelt. Einheimische bekommen die besten Angebote, unsympathische Touristen wahrscheinlich die schlechtesten. Also machten sie uns ein annehmbares Gebot für ein paar Reifen mit leichten Verschleißspuren. Kaum hatten wir das Angebot akzeptiert, stürmte ein dreckverschmierter Mechaniker zu mir ins Auto und parkte es um. Ganz knapp konnte ich mich noch in Sicherheit bringen, bevor fünf oder sechs weitere dreckverschmierte Mechaniker sich auf den Wagen stürzten und ihn mit einem krakeligen Wagenheber auf Arbeitshöhe kurbelten. Wie im Formel-1 Boxenstopp war das Paar Reifen nach wenigen Minuten ausgetauscht und der Trupp machte sich sogleich am nächsten Auto zu schaffen. Auf Martens Bitten hin, sah der Automeister sich auch unseren Keilriemen nochmal genauer an, da dieser für ihn als hauptverdächtiger Quietschgeräuscherzeuger in Frage kam. Nach ein paar routinierten Handgriffen (das Quietschproblem scheint hier nämlich Gang und Gebe zu sein) war unser loser Keilriemen wieder festgezogen und das Quietschen endlich verschwunden.
Als der Meister bemerkte, wie glücklich wir über das Ausbleiben des Quietschens waren, freute er sich mindestens so sehr wie wir darüber. 
Deshalb fahren wir nun stolz einen großen gelben „Budget Tyres“-Aufkleber an der Heckscheibe durch die Gegend und haben so ganz einfach unseren Verkaufswert gesteigert.
Wir haben auch schon große Pläne geschmiedet, wie wir die Sache mit dem Verkauf elegant regeln wollen und bei Anne bereits einen Aushang mit Abreißzetteln entworfen, welchen wir in Aucklands Hostels und an schwarze Bretter pinnen wollen.
Um uns ein bisschen für die Unterkunft und das herzliche Willkommen zu revanchieren, tobten wir uns in Annes Küche aus, um unsere Gastgeber zum Abendessen zu verwöhnen. Wir genossen es aber vor allem auch selber, mal wieder in einer sauberen, gut ausgestatteten Küche Kuchen und Pizza zu backen, schöne Fischgerichte zuzubereiten und Desserts zu kreieren. Mit Annes Tochter Pippa tauschten wir das Rezept der von uns erfundenen Yogurette-Eiskreme gegen ihre leckere Kürbistarte mit Eierschecke. Nach dem Dessert zeigten die Kinder uns wieder Kiwi-lustige Videoclips und wir stellten ihnen „Simon’s Cat“ vor, was auf große Begeisterung traf.
Jetzt sind wir wahrscheinlich ein paar Kilo schwerer und haben schweren Herzens wieder unsere Luftmatratze bezogen, um uns auf die letzte Etappe unserer großen Reise zu machen:
Die vielumschwärmte Coromandel-Halbinsel.
Jeder Kiwi empfahl uns diesen Landzipfel als unverzichtbar und als besten Ferienort ganz Neuseelands. Hier soll es die schönsten Strände, die lauschigsten Wälder und hübschesten Küstenorte ganz Neuseelands, nein wahrscheinlich sogar der ganzen Welt, geben.
Nun sind wir hier.
Wirklich wunderbar ist vor allem das milde, spätsommerliche Wetter, welches uns höchstwahrscheinlich noch den ganzen März über erhalten bleiben wird.
Coromandel hat tatsächlich ein paar traumhafte Sandstrände, die für Surfer eine Idylle, für Badegäste jedoch zu stürmisch sind.
Coromandels Wälder jedoch sind nicht anders als die, die wir hier schon überall erwandert haben, beeindrucken die Neuseeländer aber wahrscheinlich hier ganz besonders, da sie diese sonst selten von innen sehen.
Für Neuseeländer ist Coromandel DAS Feriengebiet schlechthin, dementsprechend teuer und vermarktet sind auch die Campingplätze vor allem in der Nähe des sagenumwobenen „Hot Water Beaches“…

Bei Ebbe, beziehungsweise jeweils zwei Stunden davor und danach, lädt jeder Reiseführer dazu ein, sich am „Hot Water Beach“ eine Badewanne in den Sand zu graben und zu warten, bis diese sich mit dem heißen Wasser aus unterirdischen Quellen füllt. Wer sich hier einen privaten Spa Pool am Strand erhofft ist jedoch völlig fehl am Platz.
Pünktlich zwei Stunden vor Ebbe versammeln sich mehrere Anbieter von Buddelschaufelvermietungen rund um den Strand und brauchen gar nicht lange zu warten, bis ihre Spaten und Schippen sich unter den Hunderten von Besuchern verteilen. Und dann kann das Kampfbuddeln beginnen.
Auf knapp 20m felsigem Sandstrand drängt sich jeder um den besten Platz für seine Badewanne und buddelt was das Zeug hält.
Während wir noch auf die Ebbe warteten, nutzte Marten die Gelegenheit, doch wenigstens einmal in den Pazifischen Ozean zu springen, wenn er schon einmal die Badehose anhatte. Bisher hatten  wir den Sprung ins kühle Blau bloß bis zu den Oberschenkeln gewagt, da das Inselwetter uns meist schon von sich aus genug durch- beziehungsweise unterkühlt hatte. Auch an unserem Hot Water Beach-Tag war uns in Badesachen am Strand ziemlich frostig zumute, doch wenigstens ein einziges Mal wollten wir in den Pazifik. Also stürzte sich Marten guten Mutes in die riesigen Wellen und ich wollte erst einmal noch draußen bleiben, um diesen historischen Moment fotografisch festzuhalten.
Als Marten dann jedoch völlig durchfroren und mit aufgeschürften Knien aus der stürmischen See auftauchte, überlegte ich es mir doch noch mal anders und verschob mein erstes Bad im Pazifik auf ungewisse Zeit…  Am Hot Water Beach wollten wir schließlich nicht frieren, sondern uns durchwärmen lassen!
Deshalb buddelten wir gemeinsam mit den zahlreichen Strandbesuchern fleißig um die Wette, doch sobald ein Loch etwas tiefer wurde, strömte einem aus dem Boden bloß Kälte entgegen.
Manche Kiwis hatten sich riesige Badewannen geschaufelt und lagen zu zehnt darin, doch ihre unübersehbare Gänsehaut verriet, dass auch ihre Becken nicht von den unterirdischen Quellen erwärmt wurden. Nach einer gewissen Zeit wurde das Wasser sicherlich etwas warm, von der enormen Sonneneinstrahlung. Vielleicht wärmten sie sich auch gegenseitig in ihrer eigenen Brühe auf. Dazugesellen wollten wir uns jedenfalls nicht unbedingt und hätten auch bestimmt keinen Platz gefunden.
Irgendwann, als laut Gezeitenkalender längst Ebbe war, verloren wir die Geduld, denn die stürmischen Wellen preschten immer noch bis an den Strand, zerstörten und kühlten immer wieder unsere geschaufelten Wannen. Nach zwei Stunden Sandkastenspaß und vielen gebuddelten Löchern gaben wir die Suche nach den heißen Quellen durchgefroren und mit blauen Lippen auf. Der Strand hatte sich mittlerweile auch schon ein wenig geleert, anscheinend verließen mehrere Leute den Hot Water Beach so desillusioniert wie wir.
Lustig war es schon, bei diesem Kampfbuddel-Spektakel einmal dabei gewesen zu sein, vielleicht hatten wir auch einfach das Pech, uns einen Tag mit besonders hohem Wellengang ausgewählt zu haben. Doch wir wissen ganz genau, wo in Neuseeland man einen viel besseren, unentdeckten, heißeren Spa-Pool finden kann, den man mit ein bisschen Glück auch ganz für sich alleine hat: Am Hot Water Stream in Taupo! Genau dorthin sehnten wir uns nach der Unterkühlung am Hot Water Beach von Coromandel.

Wenige Kilometer nördlich des Hot Water Beaches befindet sich eine weitere Sehenswürdigkeit von Coromandel, die in keinem Neuseeland-Bildband fehlen darf: Der Strand am Cathedral Cove. Hier führt ein kleiner Wanderweg die Touristenscharen zu einem verträumten kleinen Südseestrand, der von Felsbrocken im Wasser und einem riesigen bogenförmigen Durchgang durch Kalksandgestein, welcher an eine Kathedrale erinnert, gekennzeichnet ist. Würden mehr Neuseeländer auch die Cathedral Caves an der südlichen Spitze der Südinsel kennen, müsste es hier wahrscheinlich nicht so überlaufen sein, dass viele Besucher keinen Parkplatz mehr finden.
Wir finden es schade, dass der kleine Coromandel-Zipfel von Neuseeland so großartig vermarktet wird und dadurch seinen Reiz und Zauber verliert, wohingegen andere Regionen uns viel mehr beeindruckt haben, von denen in keinem Reiseführer gesprochen wird. Doch wahrscheinlich ist es besser, dass diese Geheimtipps auch weiterhin Geheimtipps bleiben werden.

Beweisfoto

Ein schönes kühles Fußbad am Hot Water Beach

Kampfbuddeln

Südseestrand am Cathedral Cove mit  Paula

Cathedral Cove


Paula zeichnet unsere Route auf der Landkarte nach

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