Dienstag, 5. März 2013

Hört ihr die Glühwürmer husten?



Nach einer eisig kalten Nacht und einem nicht sonderlich erholsamen Schlaf im Auto, gibt es doch nichts Besseres, als sich in den frühen Morgenstunden auf den Weg zu machen, um ein heißes Bad zu nehmen. Nicht etwa in einer Wellnessoase, von denen es rund um den Lake Taupo wirklich mehr als genügend gibt, sondern direkt in einer heißen Quelle, bei der sich das angenehm warme Wasser gerade den Weg durch das vulkanisch aktive Gestein gebahnt hat. Auf diese Weise lagen wir bereits kurz nach dem Sonnenaufgang nur zu zweit, ohne die zu dieser Zeit arbeitende Bevölkerung und ohne Touristen, im noch als Geheimtipp geltenden „Taupo Hot Water Stream“. An seiner Mündung in den „Waikato-River“ vermischt sich das heiße Quellwasser mit dem recht kühlen Flusswasser und lässt auf ungefähr 40°C temperierte Becken entstehen. Diese vitalisieren zwar nicht unbedingt für den anstehenden Tag, wärmen aber unwahrscheinlich gut durch. Ebenso ließen wir unsere Sinne vom Schwefelduft benebeln, welchen wir schon von vorherigen Vulkangebieten als etwas sehr Besonderes in Erinnerung behalten haben.
Zurzeit begleiten wir den 354 Kilometer langen Waikato, welcher nebenbei bemerkt auch der längste Fluss Neuseelands ist, von seinem Entspringen aus dem Lake Taupo bis nach Hamilton. Natürlich haben wir uns auch für diesen Weg ein paar Höhepunkte heraus gesucht, um unsere Tage kurzweilig zu gestalten.
In Neuseeland haben wir uns beschämender Weise immer noch nicht mehr als knietief in den kühlen Pazifik oder in die Tasmanische See getraut, aber von heißen Quellen bekommen wir einfach nicht genug. Für das vielversprechende thermale Dorf Wairakei interessierten wir uns daher sehr. Leider war bis auf einen angepriesenen Wanderweg entlang der weißdampfenden Pipelines eines geothermalen Kraftwerks nicht sonderlich viel vom mystischen Vulkanzauber und heißem Wasser zu spüren. Jedoch hatte dieser Ort einen sehr speziellen Campingplatz, welchen wir uns mit schätzungsweise 50 eitel gezüchteten Hühnern, Enten und Pfauen, hängenden dicken Hängebauchschweinchen, und pudelartig frisierten Alpaccas teilten, die dort frei übers Areal stolzierten. Auf diesem Zeltplatz gab es sogar heißes, thermales Wasser, welches wir in einer tierisch beklecksten Duschwanne auf uns herab rieseln lassen konnten.  
Der suchterregend leckere neuseeländisch-britische Scones, der bei wirklich jedem Neuseeländer, Briten, Australier, und US-Amerikaner mal als „Skann, Skonn oder Skoohn“ anders prononciert wird (über solche Dinge unterhält man sich wirklich in den Campingplatzküchen), gehört bei uns zum liebsten, fast täglich konsumierten Nahrungsmittel hier in Neuseeland. Da wir, vor allem was potenzielle Spezialitäten angeht, besonders aufgeschlossen sind, brauchte es nicht lange, bis uns auch der Kiwi typische Karottenkuchen in seinen Bann zog. Aber ein köstliches Stück Kuchen zu finden, stellt sich als ähnlich schwierige Aktion heraus, wie die Suche eines festen Roggen-oder Vollkornbrots.
Sogenannte Bäckereien zieren das Straßenbild der meisten Städte. Da wir wie immer noch offen für neuseeländische Spezialitäten und experimentierfreudig sind, schließen wir oft auf unseren Straßenbummeleien die Augen und konzentrieren uns dann nur auf unseren Geruchssinn. Wenn wir dabei nur dem süßlich-saurem, ranzig-frittiertem Geruch folgen, finden wir uns beim Augenöffnen meist in den heiligen Hallen eines solchen Geschäfts wieder. Das Sortiment besteht eigentlich immer aus Weißbrot, Burgern, Scones, Fish’n’Chips und auch Kuchen. Es ist also Vorsicht geboten, wenn man einen Karottenkuchen entdeckt. Bevor man sich von diesem verführen lässt, sollte gut abgeschätzt werden, wie sehr dieses Stück Gebäck den Geschmack der ihn umgebenden Backwaren bereits aufgenommen haben könnte. Einige Experimente führten zu Ergebnissen, bei denen die Geschmäcker mal angenehm zimtig sein können, aber auch den unpassenden Hauch von gehackter Zwiebel oder eben frittiertem Fisch über das saftige Karottenaroma legten.
Abschließend bleibt zu erwähnen, dass der europäische Pferdefleischskandal nichts gegen eine neuseeländische Bäckerei ist. Mit absoluter Garantie erhält man bei der Entscheidung für ein Gebäckstück eine Speise aus der Fritteuse, in der sowohl herzhafte Fleisch-und Fischstückchen, wie auch süße Desserts zu bereitet werden. Die genaue Zusammensetzung bleibt also ungeklärt.

Einer unserer „höchsten“ Punkte dieser Woche war der Besuch der legendären Glühwürmchen Höhlen, den „Waitomo Caves“. Im Laufe von Millionen Jahren entstanden die heute unter den grünen Hügeln nicht zu erahnenden Kalksandsteinformationen, die einen Exkurs in die Unterwelt ermöglichen. Einst wurde diese Grottenwelt von einem Maori, natürlich mit dem Hintergedanken diese für kommerzielle Führungen zu nutzen, erforscht. So zieht sie jährlich Unmengen von Besuchern an, in diesem Jahr auch Paula und mich.
Vor dem Eingang zur Höhlenwelt wurden wir von einer wahrhaftigen Nachfahrin des damaligen Höhlenforschers in Empfang genommen und mit ihrer schmeichelnden, museumsführerreifen Stimme auf den Abgang und dessen etwaigen Gefahren in die Tiefe vorbereitet. Zuerst erkundschafteten wir eine Tropfsteinhöhle, die mit sehr geschmackvoll arrangiertem Licht in Szene gesetzt wurde und uns sehr an die Art Grotten erinnerte, wie wir sie aus Deutschland kennen.
Die Waitomo Cave hingegen endet in einer Kathedrale, von der man den Blick in eine geräumige Spalte hat, welche nur von grünlichem Schimmer erhellt wird. Dieser Schimmer ist der Schein der hungrigen Glühwürmchen. Wir erfuhren, je heller das Licht, desto länger, hatte das Glühwürmchen keine Nahrungsaufnahme mehr.
Nachdem wir noch ein paar Treppenstufen weiter in die Tiefe stiegen, kamen wir in absoluter Dunkelheit, nur im Schein der Insekten und der Taschenlampe der „Expeditionsleiterin“, an einem unterirdischen Wasserlauf an. Dort kletterten wir in kleine Boote, die unter der  von Glühwürmchen behangenen Höhlendecke, wie von Geisterhand geführt, zum Ausgang unserer Tour glitten. Ein sehr einzigartiges Gefühl, so stellten wir uns das flügellose Schweben durch einen klaren, sternenbehangenen Nachthimmel vor. Aber auch diese Romantik ließ uns nur kurz glauben, mitten durch den Sternenhimmel zu reisen, statt durch Neuseeland, denn schon nach wenigen Momenten der Stille unterbrach der bekannte keuchende Hustenanfall eines Neuseeländers die Stimmung.
Wir hätten noch Stunden unter dem Glühwürmchen-Himmel verbringen können. Paula träumt schon von ersten Ideen, wie die Zimmerdecken unserer zukünftigen Wohnung gestaltet werden könnten.

Otorohanga, das benannte „Kiwiana“ des Landes, ließ uns hinter allen Schaufenstern seiner an der Hauptstraße angesiedelten Läden Ausstellungsstücke über die erfolgreichsten Produkte neuseeländischer Fertigungen bestaunen. Die Nacht verbrachten wir auf einem Campingplatz direkt neben  einem eingezäunten Kiwivogel-Gehege. Da wir noch keinen dieser kleinen drolligen Piepmatzen  (lebendig) zu Gesicht bekamen, waren wir sehr gespannt darauf, ihren nächtlichen Gesängen zu lauschen. Wir ahnten nicht, wie viel Krach ein verhältnismäßig gedrungener Vogel „erschreien“ kann, bis wir es am eigenen Ohr erlebten.
Der letzte Stopp vor Hamilton führte uns über die schon fast vergessenen sandigen, kurvigen Schotterstraßen in die äußerst durchgestylte Surfer-Hochburg und Siedlung Raglan.
Dort ließen wir unter Palmen die Woche bei unserem bisher besten, frischgefangenen und zubereiteten Fish‘n‘Chips in einer Fischerei die Woche ausklingen, und schauten an einem grauen Speichersilo vorbei zum Meereshorizont, genossen dabei einem traumhaften Sonnenuntergang unter dem strahlend rötlich-blauen Himmel.

Paula..
..und Marten genießen den "Taupoer Hot Water Stream"

Vergessen im Busch, ein ölender einst in der Holzwirtschaft mit Wasserdampf betriebener Traktor.

Abendbrot unter freiem Himmel.
Raglans vermeintlich schönste Ferienwohnungen im Silo.


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