Donnerstag, 4. April 2013

An Neuseeland



Liebes Neuseeland,

du hast es uns nicht immer leicht gemacht, dich zu mögen und deinen wirklichen Charme zu erkennen.
Von Deutschland aus sieht man dir leider nicht an, dass du gar keine idyllische Südseesommerinsel mehr, sondern eher zu einem Pauschaltouristenparadies geworden bist.
Vielleicht täte es dir gut, ein wenig in dich zu gehen, dich auf deine Ursprünge zu besinnen und deine natürlichen Vorzüge wirken zu lassen, anstatt Touristenhorden mit kommerziellen Action-Angeboten anzulocken.
Vielleicht hatten wir auch einfach utopische Erwartungen an dein Klima, deine gastfreundlichen Einwohner und die Möglichkeiten, sich durchs Land zu jobben.
Wahrscheinlich hätten wir uns einfach 20 Jahre eher kennenlernen müssen, um eine engere Freundschaft mit dir schließen zu können.
Fest steht, dass du eine wahre Schönheit bist, die sich gar nicht so weit hinten, am Ende der Welt verstecken bräuchte, sondern einzigartig durch ihr Äußeres, ihr Auftreten wirkt.
Wir haben mit dir Erfahrungen sammeln dürfen, minimalistisch zu leben gelernt und können auf ein spannendes, gemeinsames halbes Jahr zurückblicken, von dem wir noch unseren Kindern und Enkelkindern viel erzählen können.
Dafür möchten wir dir danken, denn unsere Gedanken werden an deiner Widerspenstigkeit und deinen kleinen Allüren nicht auf ewig festhalten. Das, was auch später noch für uns bleibt, sind Erinnerungen an die schönen Momente, die wir hier mit uns und mit dir erleben durften.
Damit wir diese nicht vergessen, haben wir uns mit dem Blog selber ein kleines Andenken gestaltet, welches durch 2000 Fotos und unzählige Gedanken zu einer großen, bleibenden Erinnerung ergänzt wird.
Nun ist die Zeit gekommen, uns von dir zu verabschieden. Unsere Rucksäcke sind gepackt, und wir sind in freudiger Erwartung auf Zuhause.
Morgen um diese Uhrzeit sitzen wir bereits im Flugzeug.
Wir werden dir von oben winken.
Wir müssen uns nichts vormachen; zu schwer fällt uns dieser Abschied nicht, denn wir wissen, dass du auch weiterhin von vielen Deutschen belagert werden wirst. Dir wird unser Fehlen also gar nicht weiter auffallen. Zuhause dagegen werden wir warm und herzlich empfangen und wissen ganz genau zu schätzen, was es heißt Willkommen und Zuhause zu sein.
Das Lebenskapitel „Neuseeland“ betrachten wir nun als abgeschlossen und sind gespannt, was uns ein neues Kapitel bringen wird.
Dir wünschen wir weiterhin alles Gute, weder Vulkanausbrüche noch Erdbeben oder Tsunamis, denn es wäre wirklich schade um dich.

Mit freundlichen Grüßen

Paula und Marten

Donnerstag, 28. März 2013

Sommerschlussverkauf



TEIL 1: Vor dem Verkauf

Der neuseeländische Herbst meldet sich in diesen Tagen zurück, die Nächte sind wieder deutlich kälter und auch die Sonne zeigt sich erst am späteren Morgen. So war es auch am Sonnabendmorgen um sechs Uhr noch stockfinster und kalt. Dennoch trotzten wir der frühen Stunde und machten uns auf den Weg zum Auckland Car Fair City Market, um unser Auto pünktlich nach Markteröffnung einem potenziellen neuen Besitzer aus erster Reihe zu präsentieren. Durch den Verkauf hofften wir uns vor der bevorstehenden Jahreszeit auf dem Zeltplatz drücken zu können.
Dementsprechend waren wir eines der ersten „Verkäuferteams“, das sich eine Poleposition unter den Verkaufsplätzen sichern konnte. Mit herausgeputztem, gewaschenem, polierten und gesaugtem Fahrzeug, so sauber wie unser Auto auf unser gesamten Reise nicht war, machten wir uns euphorisch an die erste von fünf gegeben Verkaufsstunden, um unserem Gefährt hoffentlich bald einen neuen Besitzer zu verschaffen. Dabei stand auf der Stellfläche neben uns ein französisches Pärchen, welches es mit der Verkaufsvorbereitung nicht so ernst genommen hatte wie wir es taten, sondern noch im letzten Moment versuchten mit einem Lackstift ihre Kratzer zu retuschieren.
Aus der ersten Stunde wurde schnell die Zweite. Der Markt zählte nun in etwa 20 Backpackerpärchen, welche wie wir auch ihre Fahrzeuge loswerden wollten. Nur von etwaigen Interessenten fehlte leider noch immer jede Spur. Die Sonne stieg schon hoch in den Himmel, somit auch der Frust und der daraus resultierende Appetit. Im Laufe des Vormittages schlossen wir Freundschaft mit unseren französischen Nachbarn, versuchten uns bei Laune zu halten und verabredeten uns, weil sich die Öffnungszeit des Markts langsam, erfolglos dem Ende neigte, schon für den größeren, sonntäglichen Gebrauchtwagenmarkt in einem anderen Stadtteil von Auckland.
Um ein Uhr am Nachmittag hatten wir nicht mehr als fünf Kunden gesehen, von denen uns oder unserem Auto nicht einer eines Blickes würdigte. Vielleicht waren selbst diese nur Touristen, die sich zufällig dorthin verirrt hatten. Am Ende dieses Markttages blieb uns lediglich das Gefühl, unsere 25$ Eintrittsgeld für die drei fetten, schmierigen Marktleiter investiert zu haben, die neben pausenlosem Rauchen und Kaffeetrinken nur noch  damit beschäftigt waren, ihre eigenen Kombis und Camper Vans zu verkaufen und sich dabei belauschen ließen, wie sie sich arrogant über all die Langzeitreisenden lustig machten, die sich vor dem Ende ihrer Reise noch gezwungener Weise von ihren Reisebegleitern trennen mussten.
Samstagabend ließen Paula und ich den nicht ertragreichen, gefloppten Geschäftstag Revue passieren, dachten uns neue Verkaufsstrategien aus und trafen preisliche Absprachen für die hoffnungsvolle zweite Chance.
Auf gleiche Weise wie den Tag zuvor gestalteten wir auch unseren Sonntagmorgen.
Beim Eintreffen auf dem Gebrauchtwagenmarkt stellten wir verheißungsvolle Unterschiede fest. Die Marktfläche war zehnmal so groß und auch die Organisation, diesmal durch eine indische Großfamilie, lief deutlich professioneller ab. Wir bekamen einen Stellplatz entsprechend unserer Verkaufspreissparte zugewiesen und kurz darauf gesellte sich auch unsere französische Bekanntschaft wieder auf eine freie Stelle neben uns. Während sich unser Verkaufspreis am Tag zuvor noch im fairen Mittelfeld befand, waren hier nun alle Preise gleich. Das Verwirrende dabei war, dass sich auf Grund des Preises keinerlei logische Rückschlüsse auf Wartung, Pflege, Alter und Zustand des zu verkaufenden Kraftfahrzeuges fällen ließen. Es kosteten alle Autos - von der 20 Jahre alten Schrottkiste bis zum gepflegten neueren Fahrzeug, wie wir unseres einschätzten - ungefähr das Gleiche. Der Markt füllte sich mit circa 200 Gebrauchtwagen. Für die 50 interessierten Käufer, welche die Autoreihen immer wieder auf und ab gingen, um die stündlich sinkenden Preise zu vergleichen, zählte nur, dass das Auto billig, silbern oder schwarz war.
Mit eben der Ausnahme, dass der Sonntagmarkt größer war, als der am vorherigen Tag, lief er für uns ziemlich ähnlich ab. Bis eine Stunde vor Marktende, zog unser grüner Flitzer keinen einzigen denkbaren neuen Besitzer an. Natürlich blieb uns nicht viel anderes übrig als unseren Verkaufspreis drastisch zu senken, falls wir uns nicht am nächsten Osterwochenende wieder in der gleichen aussichtslosen Situation wiederfinden oder von einem gewitzten auckländischen Autohändler ein dann wohl unumgänglich schlechtes Geschäftsangebot machen lassen wollten. Wir glichen den Preis dem Einheitspreis des Gebrauchtwagenangebots an und zogen somit unseren ersten „Vielleichtkäufer“ an: Einen zu schweren Deutschen, dem nach zwei Wochen Radfahren durch Neuseeland höchstwahrscheinlich die Puste ausgegangen war, weil er nun gewappnet mit Taschenlampe und Notizblock nach einem neuen fahrbaren Untersatz suchte. Er inspizierte das ihm vorstehende Fahrzeug akribisch und erzählte dabei die sagenhaftesten Geschichten, was mit unserem Auto alles nicht korrekt sein würde. Trotzdem interessierte er sich sehr und meinte nach der Probefahrt, nachdem er feststellte: „Ich bin sehr groß!“ und deshalb kaum hinters Lenkrad passte, er schaue sich nur noch kurz um und komme dann wieder zu uns zurück…
Die nächsten Interessenten waren ein besonders unsympathisches irisches Pärchen. Dieses wollte uns in unserer schier ausweglosen Lage dreist über den Tisch ziehen, indem sie versuchten den Preis unverschämt weit nach unten zu drücken. So hatten wir uns das nicht gedacht. Sie probierten, sämtliche Fahrzeugmakel aufzuzeigen, wobei man nur noch den Kopf schütteln konnte. Auch ihre Leidensgeschichte, sie seien gerade erst im neuen Land angekommen, hätten sehr wenig Geld und bräuchten alles nötige um sich in Neuseeland ein neues Leben aufzubauen, wollten wir diesen beiden wohlgenährten, etwas versoffenen zwei Gestalten nicht ganz abnehmen…
Der Markt war jetzt wirklich fast gelaufen, und dass unsere französischen Nachbarn ihren alten zerkratzten, aber eben schwarzen Wagen schon verkauft hatten, beflügelte unseren Mut nicht zu sehr.
Paula kam gerade von einem Marktrundgang zurück, bei dem sie die Preise der benachbarten Autos in Erfahrung brachte, als ein neuseeländischer uriger Vati mit seinem schüchternen Spross auf uns zu kam und unser Angebot genauer unter die Lupe nahm. Mit vereinten Kräften versuchten wir alle Vokabeln, die wir im Zusammenhang mit einem PKW gebrauchen konnten herunter zu beten. Dieser letzte Kraftaufwand verhalf uns dazu, eine Probefahrt geben zu können und der Rest war Geschichte.
Mit einem kleinen Verlust bekamen wir  auf diese Weise unseren treuen Wegbegleiter unter den Hammer. Nach einem feuchten Handschlag nahmen wir kurzen, schmerzlosen Abschied von unserem Campingmobil, welches wir die letzten sechs Monate bezogen hatten.  Die Trennung fiel uns aber nicht allzu schwer, da wir nun auch endgültig „Lebe Wohl“ zu der Luftmatratze  sagen konnten.


TEIL 2: Nach dem Verkauf

Nun waren wir also endgültig heimatlos, hatten mit dem Auto auch den letzten Anhaltspunkt in Neuseeland verloren und sowieso eigentlich schon alles gesehen und erlebt. Kurz: Hier hielt uns nichts mehr. Hier wollten wir keine Sekunde länger als nötig mehr bleiben.
Deswegen geisterte uns schon seit einigen Tagen die Idee durch die Köpfe, unseren Flug umzubuchen, um Ostern Zuhause verbringen zu können. Wir nahmen also das Angebot unseres Kunden an, uns von ihm am Flughafen absetzen zu lassen, um dort am Schalter herauszufinden, was möglich wäre.
Mental waren wir sofort zum Abflug bereit, hatten alles Gepäck schon kompakt verstaut, um es auf den Flughafentrolley zu laden. Wir malten uns schon aus, im kalten Deutschland zu landen und im Schnee Ostereier zu suchen, also Ostern zu feiern und Weihnachten nachzuholen. Doch wahrscheinlich sind wir immer noch zu naiv, was die neuseeländische Verantwortlichkeit angeht, denn am Flughafenschalter wollte und konnte uns wieder einmal niemand weiterhelfen. Stattdessen bot man uns an, uns doch an eine computergesteuerte Hotline zu wenden. Vielen Dank.
Wir wollten nichts unversucht lassen, denn hätte sich für uns im Nachhinein herausgestellt, dass eine Umbuchung einfach und günstig möglich gewesen wäre, hätten wir uns ganz schön geärgert.
Wir warteten am Flughafen, auf unseren Trolleys sitzend und die letzten Vorräte verbrauchend, bis wir endlich die Servicehotline in Deutschland erreichen konnten. Dort jedoch wurde uns mitgeteilt, dass eine Umbuchung bei unserem Tarif bloß für 2000€ möglich wäre. Das hätten wir nicht erwartet, mussten aber leider vernünftig denken und entscheiden, die nächsten zwei Wochen noch hier zu erdulden. Ein bisschen enttäuscht und geknickt waren wir schon, da alles darauf hinauslief, dass wir nun nochmal Aucklands Hostelleben genießen durften.
Nach dem Telefonat war es aufgrund der Zeitverschiebung nach Deutschland schon zu spät, sich noch auf die Suche nach einem nicht überfüllten Hostel zu machen. 
Marten erinnerte sich an den Film „Terminal“, in dem Tom Hanks als heimatloser Tourist weder aus- noch einreisen kann, wochenlang auf einem Flughafen lebt und sich dort häuslich einrichtet. Wir ließen uns von Tom Hanks inspirieren und versuchten, es uns wenigstens für eine Nacht am Flughafen bequem zu machen. Mit dieser Idee waren wir nicht alleine. Nachts gleicht so ein Flughafen einem Hotel für Obdachlose, die sich in jede Nische und auf jede Bank kuscheln, um zwischen lauten Putzarbeiten ein bisschen Schlaf zu finden.  Für ein paar Stunden dösten auch wir vor uns hin und fühlten uns eigentlich ganz wohl, da es nicht ganz so kalt wurde wie in den letzten Nächten in unserem Auto.
Am frühen Morgen kochte ich uns noch einen heißen Porridge in der Mikrowelle des Flughafenwickelraums, so dass wir gestärkt genug waren, uns wieder in Aucklands-Stadtgetümmel zu begeben. Schwer bepackt machten wir uns auf die Suche nach einer Bleibe für die nächsten zwei Wochen. Bereits das zweite, von uns angesteuerte Hostel quoll nicht aus allen Nähten, sondern hatte ein kleines Doppelzimmer für uns übrig. Für dieses Zimmer zahlen wir bloß so viel, wie wir in Aucklands Stadtzentrum für einen 8-Personen-Schlafsaal hätten zahlen müssen. Es ist alles sehr sauber, gut ausgestattet und in einer halben Stunde Fußmarsch sind wir im Stadtzentrum.
Ein paar Stunden nach unserer Ankunft erfuhren wir auch, warum das „Oaklands“-Hostel uns so angenehm, gepflegt und un-kiwimäßig erscheint: Es wird von Franzosen betrieben. Ein Großteil der Hostelbewohner sind gleichzeitig Hostelangestellte, die sich fast darum schlagen, arbeiten und sauber machen zu dürfen. Wir haben hier ja schon mehrere Arbeitslager erlebt, aber ein so angenehmes war uns bisher noch nicht begegnet. Hier werden wir bis zum Schluss unserer langen Reise bleiben.
Wir tun jetzt so als wären wir Touristen, die gerade in Auckland angekommen sind und nun zwei Wochen Urlaub in einer großen Stadt vor sich haben. Jeden Tag laufen wir an ein anderes Ende der Stadt und freuen uns über das schöne Wetter, welches sich eingestellt hat, seitdem wir nicht mehr darauf angewiesen sind. Mit unserer durch den Autoverkauf etwas aufgefrischten Reisekasse lassen wir es uns nun noch einmal gut gehen und können doch noch auf freundschaftliche Weise von Neuseeland Abschied nehmen. 

Ein Blick aufs schwarze Brett gibt einen kleinen Vorgeschmack auf das...

...Überangebot auf dem Gebrauchtwagenmarkt

Ungewohnt viel Raum um uns herum!


Mittwoch, 20. März 2013

If it's yellow let it mellow, if it's brown flush it down...


…aber da wir uns auch in diesem Blogeintrag an einen chronologischen Ablauf halten möchten, soll auf dieses Sprichwort erst im späteren Verlauf unserer kleinen Reiseberichterstattung eingegangen werden.

 Drei Wochen waren es noch bis zum Ende unserer langen Reise, als wir wieder den Ausgangspunkt unserer Neuseelanddurchquerung erreichten und die Stadtgrenzen Aucklands passierten. Exakt mit dem Öffnen der Autotüren und dem Aussteigen, wurden wir auf ähnliche Weise in Empfang genommen wie schon vor sechs Monaten: Von dem uns inzwischen sehr gut bekannten Reisebegleiter Herrn Regen*. Da sich unsere Wege seit der Rückfahrt von Dunedin Richtung Norden getrennt hatten und wir ihn ohnehin kaum noch zu Gesicht bekamen (nicht, dass wir den Regen vermisst  hätten, weil wir die Begleitung von Frau Sonne* ohnehin als deutlich angenehmer empfinden), nahmen wir dieses Wiedersehen recht gelassen. So ließen wir uns übers verregnete Wochenende nicht stören, durch die Straßen Aucklands zu bummeln.

Noch im Oktober konnten wir nichts sehnlicher erwarten, als endlich ein Auto zu kaufen, um diese Stadt auf schnellstem Wege verlassen zu können und das bis dahin noch so unbekannte, neue Land zu erforschen.  Dieses Mal waren wir hingegen froh, dass die ländlichen Provinzen und die Kleinstadtidyllen hinter uns liegen und wir wieder in eine Großstadt kommen konnten, welche dieser Bezeichnung auch entspricht. Wir nahmen Auckland als lebendig erquickende Stadt wahr und konnten diese nun ganz anders genießen, als beim eher stressigen letzten Besuch.
Mittlerweile haben wir aber auch schon Aucklands Stadtplan von Osten nach Westen, von Norden nach Süden durchgearbeitet und bereits die meisten für uns interessanten Fleckchen erkundschaftet. Dank der vielen Zeit, die uns immer noch zu genüge zur Verfügung steht und welche wir stets versuchen optimal auszunutzen, ließen wir auch die äußeren Stadtbezirke nicht außen vor. Der Weg führte uns auf den als polynesischen Kunstmarkt ausgepriesenen Wochenmarkt im Stadtteil Otara, der sich in mitten einer nicht traditionellen Maorisiedlung befindet.
Dort fanden wir uns, als zwei einsame, schmale Gestalten zwischen all den großen Menschen wieder und erfreuten uns sehr am ausgesprochen bunten Sortiment. Auf dem Markt standen sich vier Riegen gegenüber. Zum einen besuchten wir asiatische Obst-und Gemüsestände, wo wir uns mit süßen Früchten auf die nächsten Tage vorbereiten konnten, des Weiteren zogen wir an der nächsten Riege, den asiatischen Ramschständen vorbei, in denen einzelne unbenutzte Zahnbürsten, übergroße Waschmittelpakete, so wie dezent gestaltete Handyhüllen, Plastikspielzeuge und andere nützliche Sachen feilgeboten wurden. Drittes waren neuseeländische Spezialitäten frisch aus der Fritteuse und vom Barbecue, die uns schleunigst dazu brachten den letzten und für uns als einzig traditionell zu deutenden Programmpunkt aufzusuchen. Einen Stand an dem Hangi, die ursprüngliche Maorispeise, die im Erdofen zubereitet wird, verkauft wurde. Dieser Ort war jedoch leider so begehrt, dass das Geschäft bereits eine Stunde nach Marktbeginn geschlossen werden konnte. Von Tradition und polynesischer Kunst blieb für uns also nicht viel übrig.

Noch ein weiterer Markt erweckte das Interesse von Paula und mir, nämlich der Auckland „City Car Fair Market“. Auf diesem Markt verschafften wir uns einen Überblick über die aktuelle Situation rund um den Gebrauchtwagenmarkt. Wie vorherzusehen, trafen wir dort dieselben Backpacker wieder, die wir auch schon des Öfteren getroffen hatten, und konnten ihnen nun dabei zusehen, wie sich gegenseitig bei den Autoverkaufspreisen unterboten, um ihre zuverlässigen Kraftfahrzeuge noch in letzter Minute vor dem Heimflug, an den Mann bringen zu können. Wir wünschen uns sehr, dass wir genügend Zeit für den Verkauf unseres Mobils  haben und vielleicht auch etwas Glück, wenn wir am nächsten Wochenende an der Stelle der vielen Jugendlichen stehen, um ein einigermaßen faires Geschäft abwickeln zu können.

Unsere Gedanken kreisten aber bei weitem nicht nur ums belebte Auckland, seine Einkaufszentren und Märkte, sondern viel mehr freuten wir uns auf die letzten zweineinhalb Wochen Neuseelandaufenthalt, ebenso auf etwas Abwechslung im Reisealltag. In den letzten Wochen, eigentlich fast schon in den letzten Monaten, hatten wir nur noch sehr wenig auf unserer Neuseelandreise „To Do“-Liste übrig und verbrachten eigentlich mehr Zeit spazierend, lesend, abwartend und teetrinkend auf den hiesigen Campingplätzen, surfend im Internet der neuseeländischen Bibliotheken, als mit dem Besichtigen eindrucksvoller Sehenswürdigkeiten. Offen gesprochen haben wir alles gesehen und sind durch…

Nach vielen Absagen auf „HelpX“-Anfragen klappte es aber dennoch, dass wir für die letzte Etappe unseres Aufenthaltes eine Austauschgastgeberin im Auckland-Randgebiet für uns gewinnen konnten, der wir in ihrem kleinen B&B, ihrem Gemüsegarten und vielleicht auch mit ein paar fachmännisch ausgeführten Handgriffen am PKW helfen durften. Wir waren sehr gespannt und zählten schon die letzten Übernachtungen in unserem Auto, verbrauchten die noch verbliebenen Nudel-, Müsli- und Reisreserven auf den Tag genau und verabschiedeten uns von den liebgewonnen Zeltplatzküchen. Natürlich fuhren wir dank der unzähligen Erfahrungen, die wir im bisherigen Zusammenleben mit der Kiwimentalität machen durften, nicht mit den größten Erwartungen zu unserer zukünftigen Arbeit-Gastgeberin. Vielmehr erwarteten wir eine nicht allzu saubere Matratze in vier Wänden mit einem Dach über dem Kopf und ein gemeinsames einfaches, deftig-neuseeländisches Abendessen, welches wir uns nach einem fleißig engagierten Tagwerk verdient haben würden.

Man kann behaupten, wir sind schon das Schlimmste gewohnt, was Sauberkeit und Verhaltensweisen neuseeländischer Persönlichkeiten angeht. Dachten wir.

Die euphorische Begrüßung an der Einfahrt zu ihrem großflächigen farmähnlichen Gehöft von unserem Host Devon ließ uns vorerst aufatmen. Sie hieß uns mit Umarmungen herzlich Willkommen fuhr mit uns knapp 300 Meter Holperweg von der Hauptstraße zu ihrem großen Haus mit attraktiver Fassade und wir glaubten, die nächsten Wochen könnten ein spannendes, eindrucksvolles Zusammenleben, mit einer äußerst temperamentvollen, vielleicht etwas verrauchten, vorgealterten Mittfünfzigerin werden.

Nach dem ersten gemeinsamen Willkommenstee und Smalltalk, führte sie uns über ihr großes Grundstück, zeigte uns ihre Scheune samt Schrottsammlung, erklärte uns ein wirres, illegales Bewässerungssystem, bei dem sie Wasser in langen überall rumliegenden Plastikleitungen von einem Teich in den nächsten pumpt und leitete uns durch ihren Gemüsegarten, in dem bis auf ein verwesendes, unidentifizierbares Tier eigentlich recht wenig Grünes zu sehen war. Das B&B-Cottage, welches am anderen Ende ihres Anwesens an gut zahlende Gäste vermietet wird, war wunderschön anzusehen und da Devon lange Zeit als Innenausstatterin tätig war auch liebevoll gemütlich und peinlichst sauber für den nächsten Gast vorbereitet. Dieses kleine Ferienhaus verfügte sogar über einen rustikalen gemauerten Pizzaofen, in dem ich gerne ein Abendessen zubereitet hätte. Im Vorgarten stand eine Emaillewanne, die man bei Bedarf für ein „Außenbad“ beheizen konnte. TRAUMHAFT!

Am Ende der Rundführung meinte sie, hier ist so viel zu erledigen „I’m so happy to have you here“. Nur was genau wir eigentlich für sie erledigen sollten, wollte sie uns nicht direkt beantworten. Paula und ich schauten uns nur fragend an.

So räumte Paula den Geschirrspüler aus und ich pumpte die Reifen ihres heruntergewirtschafteten Allradtransporters auf, um etwa 400 Bierflaschen von ihren letzten deutschen Besuchern, für die Müllabfuhr zur Straße zu transportieren.

Was wir dann bei der Führung durch ihr Haus erlebten, erschütterte uns in unseren Grundfesten, ließ uns erleben womit wir niemals rechneten und brachte uns in äußerst unangenehme Situationen.

Das Haus hätte von der Einrichtung her ebenfalls recht gemütlich sein können, es kam in etwa einem kleinen, heruntergewirtschafteten Gutshaus gleich. Natürlich wirken historische Polstermöbel, staubiger Ausleger und Einrichtungsgegenstände bei mäßiger Pflege in Zusammenhang mit einem überall rumstreifenden, vor sich hin stinkenden Hund leicht etwas siffig, aber wir waren ja dort um zu helfen und hätten durchaus etwas Grundordnung schaffen können.

Da Devon etwas weiter außerhalb der Stadt lebt und keinen direkten Wasseranschluss hat, sondern nur einen Hausbrunnen, war es für uns vollkommen in Ordnung, um Wasser zu sparen nur alle zwei Tage zu duschen, da das Camperleben auch nicht jeden Tag eine Dusche bereit hält. So veranschaulichte sie, zum Glück in einer Trockenübung, wie man während eines sehr trockenen Sommers (der in Neuseeland scheinbar wirklich möglich ist?), mit einem Eimer in der Duschwanne steht, sich die Haare wäscht, dabei den Eimer volllaufen lässt und sich danach mit dem dadurch aufgefangenen Wasser abduscht. Natürlich beim Einseifen immer das Wasser ausstellen.

Der erste Besuch der Toilette, bei dem man von Fliegenschwärmen (hoffentlich andere Fliegen als diejenigen auf dem Obst in ihrer Küche) und einem penetranten Duft begrüßt wurde, bereitete dann doch etwas mehr Unbehagen. Die Erklärung für diese Tatsache war jedoch ganz simpel, so lautete eine weitere Hausregel, um Wasser zu sparen: “If it’s yellow, let it mellow. If it’s brown, flush it down.“ Diesen Grundsatz, der sinngemäß bedeutet: kleines Geschäft nicht spülen, großes Geschäft spülen, bekamen wir sogar als Lied mit eingängiger Melodie vorgesungen.  –Nun gut, dachten wir, an diese Regel halten wir uns schon mal nicht, da sie seit unserer Ankunft fünf Mal die Terrasse mit dem Gartenschlauch vom Entendreck befreit hatte, könne diese edle Flüssigkeit zur Zeit ein wohl nicht allzu rares Gut sein.

In den nächsten Minuten lernten wir, das Klo ohne Chemie zu reinigen, weil ansonsten die Würmer in der Sickergrube diese Tortur nicht überstehen würden, hingegen werden andere bereits erwähnte Insekten im Haus nur mit Fliegenspray „gekillt“ und liegen daraufhin überall tot herum.

Da die Gast-“Mutter“ aber ansonsten sehr tierlieb sei, fragte sie neugierig, ob wir nicht die Enten in ihrem Garten schießen und rupfen könnten, um eine neue Gefrierschrankfüllung schaffen zu können. Paula wurde immer blasser und auch ich fühlte mich nicht zum Schlächter berufen.

Danach erfuhren wir von ihrer Secondhandliebe, dass sie gerne sammelt und es auf den Tod hasst, sich von Dingen trennen zu müssen. – Auch wir beide geben nicht gerne etwas in den Müll, was für uns wichtig ist. In letzter Zeit sind für uns Nahrungsmittel von großer Bedeutung. Weil uns auf der ständigen Reise schnell etwas schlecht wird, versuchen wir immer nur so viel frische Lebenssmittel zu kaufen, wie wir auch verbrauchen können. Natürlich wird diese Tatsache bei uns noch von der Reisekasse beeinflusst. – Dementsprechend fährt unsere Gastgeberin jeden Abend zur Bäckerei und beschafft sich in einem dreckigen Eimer, die nicht verkauften Lebensmittel „für die Farmtiere“. Natürlich nahmen wir eine Einladung zu solchen kulinarischen Delikatessen gerne an…

Hinter schwitzenden gläsernen Theken nebeneinander liegende Backwaren, die es selten schafften unseren Appetit zu fördern, bekamen wir nun in einem Abfalleimer zusammengestopft serviert. Dabei konnten wir zwischen f(r)isch frittiert bis zum süßen Gebäck alles verkosten.

Paula und ich teilten uns ein zerdrücktes, schmieriges Blätterteigküchlein und sie teilte sich mit ihrem wellensittichartigen Vogel ein köstlich aufgeweichtes Sandwich, wobei der Piepmatz auf dem Tellerrand saß, vom Teller pickte und ununterbrochen neben diesen auf den Tisch düngte.

Und auch von den Resten des Abendessens kann sich Devon nicht trennen. Vieles bekommen die Tiere, doch die zerquetschten Scones, die zur Verfütterung zu schade wären, landen in einem großen Glas auf dem Küchenschrank, in welchem schon ältere Exemplare seit längerer Zeit vor sich hin schimmeln.

Als wir von unserer kettenrauchenden Gastgeberin erfuhren, dass sie einst in Dunedin Ernährungswissenschaften studierte, verstanden wir die Welt nicht mehr.

Der Abend war schon recht vorangeschritten, sodass wir es kaum erwarten konnten die neu gewonnen Eindrücke runterschlucken und verdauen zu können. Nur wo…?! Jetzt geleitete sie uns in einen von außen wie von innen mit Schimmel überzogen Wohnwagen, in dem sie uns überzeugte, dass die frischgewaschenen mit „Fliegenteppich“ bezogenen Steppdeckenbetten nur noch darauf warten, das man es sich gemütlich macht und einen entspannenden Abend genießt.

Auf diese Weise lagen wir Mitten in der Nacht wach, wieder auf der zuverlässigen Luftmatratze in unserem anheimelnden Auto, überlegten wie lange wir es wohl bei so einer Frau aushalten können, die sich in einer momentan scheinbar unlösbaren Lebenskrise befindet, mit ihrem Vater, der im Krankenhaus liegt und ihrem Partner der gerade eine Auszeit von ihr nimmt…

Als wir ihre morgendliche Floskelfrage, ob wir uns wohl fühlen, einfühlsam zu verneinen versuchten, brach für sie eine weitere Welt voll von Unverständnis zusammen. Unseren Aussagen wurde nicht im Geringsten Gehör geschenkt, viel mehr tat unsere Gastgeberin so, als wüssten wir uns nicht sinnvoll verständlich zu machen. Unsere vorsichtige Kritik ging an ihr scheinbar vorüber, sie ignorierte all unsere Bedenken, konnte uns aber immer noch nicht sagen, wobei genau wir ihr denn nun eigentlich helfen sollten. Für uns stand fest, dass wir dieser Frau nicht helfen konnten.
Im nächsten Moment packten wir deswegen bereits nach einer nicht erholsamen Nacht unsere Sachen und sahen zu, dass wir diesen Ort des Schreckens so schnell wie möglich verließen. Am liebsten hätten  wir das Auto auf den nächsten Parkplatz abgestellt und wären nach Hause gerannt, was sich aber wie gefangen auf einer Insel voller Irren, auf der anderen Seite der Erde etwas schwerlich umsetzen lässt.

Heute reisen wir schon wieder seit drei Tagen, in unserem  zum Glück doch nicht abgestellten „Wohnmobil“ durchs Neuseeland, freuen uns erneut über die ausgestatteten Campingplatzküchen und warten auf den Wochenend-Car Market.

 

 

*Herr Regen, Frau Sonne, trotz diese Bezeichnungen, möchten wir uns vom Sexismus der deutschen Sprache (der Regen, die Sonne, siehe Duden) distanzieren und keinerlei Grundlage für eine politisch korrekte Debatte schaffen.


Paula nach einer erholsamen Nacht im Campmobil

Kulinarische Vielfalt auf dem Otara Markt, von gebratener Wurst bis zur...

...Wurst am Stiel.

Sagenhaften Bäckereien


Mittwoch, 13. März 2013

Erfroren am Hot Water Beach



Letzte Woche bekamen wir einen kleinen Vorgeschmack darauf, was es heißt, nach Hause kommen zu dürfen. Dazu gehören liebe Menschen, die einen freudig erwarten, die Gemütlichkeit einer Katze auf dem Sofa und natürlich das Schlafen in einem Zimmer in einem richtigen Bett.
Bei Anne und ihren Kindern in Hamilton wurden wir wieder so lieb empfangen, dass wir uns dort gleich für vier Nächte einnisteten. Der kleine Johnny und seine Katze Sparky räumten sogar ihr Zimmer, sodass wir seit langem endlich mal wieder in den Genuss einer echten Matratze kamen. An so viel Platz könnte man sich schnell wieder gewöhnen…
Doch den ganzen Tag nur den Komfort des Bettes zu genießen kam für uns nicht in Frage, da sich unser Auto schnell von uns vernachlässigt fühlte und dringend unsere Aufmerksamkeit beanspruchen wollte.
Jetzt, kurz vor dem Verkauf, fielen ihm noch ein paar kleine Wehwehchen ein, mit denen es uns gerne in Erinnerung bleiben wollte.
Beim Starten rief uns der Nissan jedes Mal lautstark in Erinnerung: „Wenn ihr euch nicht noch ein bisschen um mich kümmert, dann werdet ihr mich auch nicht los!“ So könnte das ekelerregende Quietschen zu übersetzen sein, das bei jedem Start vorne unter der Motorhaube ertönte.
Auch die Vorderreifen hatten unverkennbare Spuren der neuseeländischen Straßen behalten: Mittlerweile hatte sich das Profil so weit abradiert, dass teilweise schon das Geflecht unter dem Gummi sichtbar wurde.
So wollten wir nicht noch 500km weiterfahren und das Auto auch niemandem zum Verkauf anbieten. Deshalb ließen wir uns von Anne bezüglich der Autowerkstätten in Hamilton beraten.
Sie empfahl uns den großen Billigreifenanbieter „Budget Tyres“, nicht etwa wegen besonders guter Qualität, sondern vor allem aus Schutz vor Diebstahl. In der kriminellen Szene von Hamilton sei es gerade sehr angesagt, nachts neue Reifen auf Parkplätzen abzuschrauben und durch abgefahrene zu ersetzen. Wer jedoch einen großen gelben Sticker von „Budget Tyres“ an der Heckscheibe prangen lässt, der outet sich bereitwillig, auf gebrauchten Reifen unterwegs zu sein und ist so vor Diebstahl clever und praktisch geschützt.
Bei besagtem „Budget Tyres“ wurden wir durch eine Art Drive Thru gelotst, mit viel englisch-mechanischem Maori-Kauderwelsch begrüßt und als Kategorie „sympathische Touristen“ abgestempelt. Einheimische bekommen die besten Angebote, unsympathische Touristen wahrscheinlich die schlechtesten. Also machten sie uns ein annehmbares Gebot für ein paar Reifen mit leichten Verschleißspuren. Kaum hatten wir das Angebot akzeptiert, stürmte ein dreckverschmierter Mechaniker zu mir ins Auto und parkte es um. Ganz knapp konnte ich mich noch in Sicherheit bringen, bevor fünf oder sechs weitere dreckverschmierte Mechaniker sich auf den Wagen stürzten und ihn mit einem krakeligen Wagenheber auf Arbeitshöhe kurbelten. Wie im Formel-1 Boxenstopp war das Paar Reifen nach wenigen Minuten ausgetauscht und der Trupp machte sich sogleich am nächsten Auto zu schaffen. Auf Martens Bitten hin, sah der Automeister sich auch unseren Keilriemen nochmal genauer an, da dieser für ihn als hauptverdächtiger Quietschgeräuscherzeuger in Frage kam. Nach ein paar routinierten Handgriffen (das Quietschproblem scheint hier nämlich Gang und Gebe zu sein) war unser loser Keilriemen wieder festgezogen und das Quietschen endlich verschwunden.
Als der Meister bemerkte, wie glücklich wir über das Ausbleiben des Quietschens waren, freute er sich mindestens so sehr wie wir darüber. 
Deshalb fahren wir nun stolz einen großen gelben „Budget Tyres“-Aufkleber an der Heckscheibe durch die Gegend und haben so ganz einfach unseren Verkaufswert gesteigert.
Wir haben auch schon große Pläne geschmiedet, wie wir die Sache mit dem Verkauf elegant regeln wollen und bei Anne bereits einen Aushang mit Abreißzetteln entworfen, welchen wir in Aucklands Hostels und an schwarze Bretter pinnen wollen.
Um uns ein bisschen für die Unterkunft und das herzliche Willkommen zu revanchieren, tobten wir uns in Annes Küche aus, um unsere Gastgeber zum Abendessen zu verwöhnen. Wir genossen es aber vor allem auch selber, mal wieder in einer sauberen, gut ausgestatteten Küche Kuchen und Pizza zu backen, schöne Fischgerichte zuzubereiten und Desserts zu kreieren. Mit Annes Tochter Pippa tauschten wir das Rezept der von uns erfundenen Yogurette-Eiskreme gegen ihre leckere Kürbistarte mit Eierschecke. Nach dem Dessert zeigten die Kinder uns wieder Kiwi-lustige Videoclips und wir stellten ihnen „Simon’s Cat“ vor, was auf große Begeisterung traf.
Jetzt sind wir wahrscheinlich ein paar Kilo schwerer und haben schweren Herzens wieder unsere Luftmatratze bezogen, um uns auf die letzte Etappe unserer großen Reise zu machen:
Die vielumschwärmte Coromandel-Halbinsel.
Jeder Kiwi empfahl uns diesen Landzipfel als unverzichtbar und als besten Ferienort ganz Neuseelands. Hier soll es die schönsten Strände, die lauschigsten Wälder und hübschesten Küstenorte ganz Neuseelands, nein wahrscheinlich sogar der ganzen Welt, geben.
Nun sind wir hier.
Wirklich wunderbar ist vor allem das milde, spätsommerliche Wetter, welches uns höchstwahrscheinlich noch den ganzen März über erhalten bleiben wird.
Coromandel hat tatsächlich ein paar traumhafte Sandstrände, die für Surfer eine Idylle, für Badegäste jedoch zu stürmisch sind.
Coromandels Wälder jedoch sind nicht anders als die, die wir hier schon überall erwandert haben, beeindrucken die Neuseeländer aber wahrscheinlich hier ganz besonders, da sie diese sonst selten von innen sehen.
Für Neuseeländer ist Coromandel DAS Feriengebiet schlechthin, dementsprechend teuer und vermarktet sind auch die Campingplätze vor allem in der Nähe des sagenumwobenen „Hot Water Beaches“…

Bei Ebbe, beziehungsweise jeweils zwei Stunden davor und danach, lädt jeder Reiseführer dazu ein, sich am „Hot Water Beach“ eine Badewanne in den Sand zu graben und zu warten, bis diese sich mit dem heißen Wasser aus unterirdischen Quellen füllt. Wer sich hier einen privaten Spa Pool am Strand erhofft ist jedoch völlig fehl am Platz.
Pünktlich zwei Stunden vor Ebbe versammeln sich mehrere Anbieter von Buddelschaufelvermietungen rund um den Strand und brauchen gar nicht lange zu warten, bis ihre Spaten und Schippen sich unter den Hunderten von Besuchern verteilen. Und dann kann das Kampfbuddeln beginnen.
Auf knapp 20m felsigem Sandstrand drängt sich jeder um den besten Platz für seine Badewanne und buddelt was das Zeug hält.
Während wir noch auf die Ebbe warteten, nutzte Marten die Gelegenheit, doch wenigstens einmal in den Pazifischen Ozean zu springen, wenn er schon einmal die Badehose anhatte. Bisher hatten  wir den Sprung ins kühle Blau bloß bis zu den Oberschenkeln gewagt, da das Inselwetter uns meist schon von sich aus genug durch- beziehungsweise unterkühlt hatte. Auch an unserem Hot Water Beach-Tag war uns in Badesachen am Strand ziemlich frostig zumute, doch wenigstens ein einziges Mal wollten wir in den Pazifik. Also stürzte sich Marten guten Mutes in die riesigen Wellen und ich wollte erst einmal noch draußen bleiben, um diesen historischen Moment fotografisch festzuhalten.
Als Marten dann jedoch völlig durchfroren und mit aufgeschürften Knien aus der stürmischen See auftauchte, überlegte ich es mir doch noch mal anders und verschob mein erstes Bad im Pazifik auf ungewisse Zeit…  Am Hot Water Beach wollten wir schließlich nicht frieren, sondern uns durchwärmen lassen!
Deshalb buddelten wir gemeinsam mit den zahlreichen Strandbesuchern fleißig um die Wette, doch sobald ein Loch etwas tiefer wurde, strömte einem aus dem Boden bloß Kälte entgegen.
Manche Kiwis hatten sich riesige Badewannen geschaufelt und lagen zu zehnt darin, doch ihre unübersehbare Gänsehaut verriet, dass auch ihre Becken nicht von den unterirdischen Quellen erwärmt wurden. Nach einer gewissen Zeit wurde das Wasser sicherlich etwas warm, von der enormen Sonneneinstrahlung. Vielleicht wärmten sie sich auch gegenseitig in ihrer eigenen Brühe auf. Dazugesellen wollten wir uns jedenfalls nicht unbedingt und hätten auch bestimmt keinen Platz gefunden.
Irgendwann, als laut Gezeitenkalender längst Ebbe war, verloren wir die Geduld, denn die stürmischen Wellen preschten immer noch bis an den Strand, zerstörten und kühlten immer wieder unsere geschaufelten Wannen. Nach zwei Stunden Sandkastenspaß und vielen gebuddelten Löchern gaben wir die Suche nach den heißen Quellen durchgefroren und mit blauen Lippen auf. Der Strand hatte sich mittlerweile auch schon ein wenig geleert, anscheinend verließen mehrere Leute den Hot Water Beach so desillusioniert wie wir.
Lustig war es schon, bei diesem Kampfbuddel-Spektakel einmal dabei gewesen zu sein, vielleicht hatten wir auch einfach das Pech, uns einen Tag mit besonders hohem Wellengang ausgewählt zu haben. Doch wir wissen ganz genau, wo in Neuseeland man einen viel besseren, unentdeckten, heißeren Spa-Pool finden kann, den man mit ein bisschen Glück auch ganz für sich alleine hat: Am Hot Water Stream in Taupo! Genau dorthin sehnten wir uns nach der Unterkühlung am Hot Water Beach von Coromandel.

Wenige Kilometer nördlich des Hot Water Beaches befindet sich eine weitere Sehenswürdigkeit von Coromandel, die in keinem Neuseeland-Bildband fehlen darf: Der Strand am Cathedral Cove. Hier führt ein kleiner Wanderweg die Touristenscharen zu einem verträumten kleinen Südseestrand, der von Felsbrocken im Wasser und einem riesigen bogenförmigen Durchgang durch Kalksandgestein, welcher an eine Kathedrale erinnert, gekennzeichnet ist. Würden mehr Neuseeländer auch die Cathedral Caves an der südlichen Spitze der Südinsel kennen, müsste es hier wahrscheinlich nicht so überlaufen sein, dass viele Besucher keinen Parkplatz mehr finden.
Wir finden es schade, dass der kleine Coromandel-Zipfel von Neuseeland so großartig vermarktet wird und dadurch seinen Reiz und Zauber verliert, wohingegen andere Regionen uns viel mehr beeindruckt haben, von denen in keinem Reiseführer gesprochen wird. Doch wahrscheinlich ist es besser, dass diese Geheimtipps auch weiterhin Geheimtipps bleiben werden.

Beweisfoto

Ein schönes kühles Fußbad am Hot Water Beach

Kampfbuddeln

Südseestrand am Cathedral Cove mit  Paula

Cathedral Cove


Paula zeichnet unsere Route auf der Landkarte nach