…aber da wir uns auch in diesem Blogeintrag an einen
chronologischen Ablauf halten möchten, soll auf dieses Sprichwort erst im
späteren Verlauf unserer kleinen Reiseberichterstattung eingegangen werden.
Drei Wochen waren es noch bis zum Ende unserer langen Reise,
als wir wieder den Ausgangspunkt unserer Neuseelanddurchquerung erreichten und
die Stadtgrenzen Aucklands passierten. Exakt mit dem Öffnen der Autotüren und
dem Aussteigen, wurden wir auf ähnliche Weise in Empfang genommen wie schon vor
sechs Monaten: Von dem uns inzwischen sehr gut bekannten Reisebegleiter Herrn
Regen*. Da sich unsere Wege seit der Rückfahrt von Dunedin Richtung Norden
getrennt hatten und wir ihn ohnehin kaum noch zu Gesicht bekamen (nicht, dass
wir den Regen vermisst hätten, weil wir
die Begleitung von Frau Sonne* ohnehin als deutlich angenehmer empfinden),
nahmen wir dieses Wiedersehen recht gelassen. So ließen wir uns übers
verregnete Wochenende nicht stören, durch die Straßen Aucklands zu bummeln.
Noch im Oktober konnten wir nichts sehnlicher erwarten, als
endlich ein Auto zu kaufen, um diese Stadt auf schnellstem Wege verlassen zu
können und das bis dahin noch so unbekannte, neue Land zu erforschen. Dieses Mal waren wir hingegen froh, dass die
ländlichen Provinzen und die Kleinstadtidyllen hinter uns liegen und wir wieder
in eine Großstadt kommen konnten, welche dieser Bezeichnung auch entspricht.
Wir nahmen Auckland als lebendig erquickende Stadt wahr und konnten diese
nun ganz anders genießen, als beim eher stressigen letzten Besuch.
Mittlerweile haben wir aber auch schon Aucklands Stadtplan von Osten nach
Westen, von Norden nach Süden durchgearbeitet und bereits die meisten für uns
interessanten Fleckchen erkundschaftet. Dank der vielen Zeit, die uns immer
noch zu genüge zur Verfügung steht und welche wir stets versuchen optimal auszunutzen,
ließen wir auch die äußeren Stadtbezirke nicht außen vor. Der Weg führte uns
auf den als polynesischen Kunstmarkt ausgepriesenen Wochenmarkt im Stadtteil
Otara, der sich in mitten einer nicht traditionellen Maorisiedlung befindet.
Dort fanden wir uns, als zwei einsame, schmale Gestalten zwischen all den
großen Menschen wieder und erfreuten uns sehr am ausgesprochen bunten
Sortiment. Auf dem Markt standen sich vier Riegen gegenüber. Zum einen
besuchten wir asiatische Obst-und Gemüsestände, wo wir uns mit süßen Früchten
auf die nächsten Tage vorbereiten konnten, des Weiteren zogen wir an der
nächsten Riege, den asiatischen Ramschständen vorbei, in denen einzelne
unbenutzte Zahnbürsten, übergroße Waschmittelpakete, so wie dezent gestaltete
Handyhüllen, Plastikspielzeuge und andere nützliche Sachen feilgeboten wurden.
Drittes waren neuseeländische Spezialitäten frisch aus der Fritteuse und vom
Barbecue, die uns schleunigst dazu brachten den letzten und für uns als einzig traditionell
zu deutenden Programmpunkt aufzusuchen. Einen Stand an dem Hangi, die
ursprüngliche Maorispeise, die im Erdofen zubereitet wird, verkauft wurde.
Dieser Ort war jedoch leider so begehrt, dass das Geschäft bereits eine Stunde
nach Marktbeginn geschlossen werden konnte. Von Tradition und polynesischer
Kunst blieb für uns also nicht viel übrig.
Noch ein weiterer Markt erweckte das Interesse von Paula und
mir, nämlich der Auckland „City Car Fair Market“. Auf diesem Markt verschafften
wir uns einen Überblick über die aktuelle Situation rund um den
Gebrauchtwagenmarkt. Wie vorherzusehen, trafen wir dort dieselben Backpacker
wieder, die wir auch schon des Öfteren getroffen hatten, und konnten ihnen nun
dabei zusehen, wie sich gegenseitig bei den Autoverkaufspreisen unterboten, um
ihre zuverlässigen Kraftfahrzeuge noch in letzter Minute vor dem Heimflug, an
den Mann bringen zu können. Wir wünschen uns sehr, dass wir genügend Zeit für
den Verkauf unseres Mobils haben und
vielleicht auch etwas Glück, wenn wir am nächsten Wochenende an der Stelle der
vielen Jugendlichen stehen, um ein einigermaßen faires Geschäft abwickeln zu
können.
Unsere Gedanken kreisten aber bei weitem nicht nur ums
belebte Auckland, seine Einkaufszentren und Märkte, sondern viel mehr freuten
wir uns auf die letzten zweineinhalb Wochen Neuseelandaufenthalt, ebenso auf
etwas Abwechslung im Reisealltag. In den letzten Wochen, eigentlich fast schon
in den letzten Monaten, hatten wir nur noch sehr wenig auf unserer
Neuseelandreise „To Do“-Liste übrig und verbrachten eigentlich mehr Zeit
spazierend, lesend, abwartend und teetrinkend auf den hiesigen Campingplätzen,
surfend im Internet der neuseeländischen Bibliotheken, als mit dem Besichtigen
eindrucksvoller Sehenswürdigkeiten. Offen gesprochen haben wir alles gesehen und
sind durch…
Nach vielen Absagen auf „HelpX“-Anfragen klappte es aber
dennoch, dass wir für die letzte Etappe unseres Aufenthaltes eine Austauschgastgeberin
im Auckland-Randgebiet für uns gewinnen konnten, der wir in ihrem kleinen
B&B, ihrem Gemüsegarten und vielleicht auch mit ein paar fachmännisch
ausgeführten Handgriffen am PKW helfen durften. Wir waren sehr gespannt und
zählten schon die letzten Übernachtungen in unserem Auto, verbrauchten die noch
verbliebenen Nudel-, Müsli- und Reisreserven auf den Tag genau und
verabschiedeten uns von den liebgewonnen Zeltplatzküchen. Natürlich fuhren wir
dank der unzähligen Erfahrungen, die wir im bisherigen Zusammenleben mit der Kiwimentalität
machen durften, nicht mit den größten Erwartungen zu unserer zukünftigen
Arbeit-Gastgeberin. Vielmehr erwarteten wir eine nicht allzu saubere Matratze
in vier Wänden mit einem Dach über dem Kopf und ein gemeinsames einfaches,
deftig-neuseeländisches Abendessen, welches wir uns nach einem fleißig
engagierten Tagwerk verdient haben würden.
Man kann behaupten, wir sind schon das Schlimmste gewohnt,
was Sauberkeit und Verhaltensweisen neuseeländischer Persönlichkeiten angeht.
Dachten wir.
Die euphorische Begrüßung an der Einfahrt zu ihrem
großflächigen farmähnlichen Gehöft von unserem Host Devon ließ uns vorerst
aufatmen. Sie hieß uns mit Umarmungen herzlich Willkommen fuhr mit uns knapp
300 Meter Holperweg von der Hauptstraße zu ihrem großen Haus mit attraktiver
Fassade und wir glaubten, die nächsten Wochen könnten ein spannendes,
eindrucksvolles Zusammenleben, mit einer äußerst temperamentvollen, vielleicht
etwas verrauchten, vorgealterten Mittfünfzigerin werden.
Nach dem ersten gemeinsamen Willkommenstee und Smalltalk,
führte sie uns über ihr großes Grundstück, zeigte uns ihre Scheune samt
Schrottsammlung, erklärte uns ein wirres, illegales Bewässerungssystem, bei
dem sie Wasser in langen überall rumliegenden Plastikleitungen von einem Teich
in den nächsten pumpt und leitete uns durch ihren Gemüsegarten, in dem bis auf
ein verwesendes, unidentifizierbares Tier eigentlich recht wenig Grünes zu
sehen war. Das B&B-Cottage, welches am anderen Ende ihres Anwesens an gut
zahlende Gäste vermietet wird, war wunderschön anzusehen und da Devon lange
Zeit als Innenausstatterin tätig war auch liebevoll gemütlich und peinlichst
sauber für den nächsten Gast vorbereitet. Dieses kleine Ferienhaus verfügte
sogar über einen rustikalen gemauerten Pizzaofen, in dem ich gerne ein
Abendessen zubereitet hätte. Im Vorgarten stand eine Emaillewanne, die man bei
Bedarf für ein „Außenbad“ beheizen konnte. TRAUMHAFT!
Am Ende der Rundführung meinte sie, hier ist so viel zu
erledigen „I’m so happy to have you here“. Nur was genau wir eigentlich für sie
erledigen sollten, wollte sie uns nicht direkt beantworten. Paula und ich
schauten uns nur fragend an.
So räumte Paula den Geschirrspüler aus und ich pumpte die
Reifen ihres heruntergewirtschafteten Allradtransporters auf, um etwa 400
Bierflaschen von ihren letzten deutschen Besuchern, für die Müllabfuhr zur
Straße zu transportieren.
Was wir dann bei der Führung durch ihr Haus erlebten,
erschütterte uns in unseren Grundfesten, ließ uns erleben womit wir niemals
rechneten und brachte uns in äußerst unangenehme Situationen.
Das Haus hätte von der Einrichtung her ebenfalls recht
gemütlich sein können, es kam in etwa einem kleinen, heruntergewirtschafteten Gutshaus
gleich. Natürlich wirken historische Polstermöbel, staubiger Ausleger und
Einrichtungsgegenstände bei mäßiger Pflege in Zusammenhang mit einem überall
rumstreifenden, vor sich hin stinkenden Hund leicht etwas siffig, aber wir waren
ja dort um zu helfen und hätten durchaus etwas Grundordnung schaffen können.
Da Devon etwas weiter außerhalb der Stadt lebt und keinen
direkten Wasseranschluss hat, sondern nur einen Hausbrunnen, war es für uns
vollkommen in Ordnung, um Wasser zu sparen nur alle zwei Tage zu duschen, da
das Camperleben auch nicht jeden Tag eine Dusche bereit hält. So
veranschaulichte sie, zum Glück in einer Trockenübung, wie man während eines
sehr trockenen Sommers (der in Neuseeland scheinbar wirklich möglich ist?), mit
einem Eimer in der Duschwanne steht, sich die Haare wäscht, dabei den Eimer
volllaufen lässt und sich danach mit dem dadurch aufgefangenen Wasser abduscht.
Natürlich beim Einseifen immer das Wasser ausstellen.
Der erste Besuch der Toilette, bei dem man von
Fliegenschwärmen (hoffentlich andere Fliegen als diejenigen auf dem Obst in
ihrer Küche) und einem penetranten Duft begrüßt wurde, bereitete dann doch
etwas mehr Unbehagen. Die Erklärung für diese Tatsache war jedoch ganz simpel,
so lautete eine weitere Hausregel, um Wasser zu sparen: “If it’s yellow, let it
mellow. If it’s brown, flush it down.“ Diesen Grundsatz, der sinngemäß
bedeutet: kleines Geschäft nicht spülen, großes Geschäft spülen, bekamen wir
sogar als Lied mit eingängiger Melodie vorgesungen. –Nun gut, dachten wir, an diese Regel halten
wir uns schon mal nicht, da sie seit unserer Ankunft fünf Mal die Terrasse mit
dem Gartenschlauch vom Entendreck befreit hatte, könne diese edle Flüssigkeit zur
Zeit ein wohl nicht allzu rares Gut sein.
In den nächsten Minuten lernten wir, das Klo ohne Chemie zu
reinigen, weil ansonsten die Würmer in der Sickergrube diese Tortur nicht
überstehen würden, hingegen werden andere bereits erwähnte Insekten im Haus nur
mit Fliegenspray „gekillt“ und liegen daraufhin überall tot herum.
Da die Gast-“Mutter“ aber ansonsten sehr tierlieb sei,
fragte sie neugierig, ob wir nicht die Enten in ihrem Garten schießen und
rupfen könnten, um eine neue Gefrierschrankfüllung schaffen zu können. Paula
wurde immer blasser und auch ich fühlte mich nicht zum Schlächter berufen.
Danach erfuhren wir von ihrer Secondhandliebe, dass sie
gerne sammelt und es auf den Tod hasst, sich von Dingen trennen zu müssen. –
Auch wir beide geben nicht gerne etwas in den Müll, was für uns wichtig ist. In
letzter Zeit sind für uns Nahrungsmittel von großer Bedeutung. Weil uns auf der
ständigen Reise schnell etwas schlecht wird, versuchen wir immer nur so viel
frische Lebenssmittel zu kaufen, wie wir auch verbrauchen können. Natürlich
wird diese Tatsache bei uns noch von der Reisekasse beeinflusst. – Dementsprechend
fährt unsere Gastgeberin jeden Abend zur Bäckerei und beschafft sich in einem
dreckigen Eimer, die nicht verkauften Lebensmittel „für die Farmtiere“.
Natürlich nahmen wir eine Einladung zu solchen kulinarischen Delikatessen gerne
an…
Hinter schwitzenden gläsernen Theken nebeneinander liegende
Backwaren, die es selten schafften unseren Appetit zu fördern, bekamen wir nun
in einem Abfalleimer zusammengestopft serviert. Dabei konnten wir zwischen
f(r)isch frittiert bis zum süßen Gebäck alles verkosten.
Paula und ich teilten uns ein zerdrücktes, schmieriges
Blätterteigküchlein und sie teilte sich mit ihrem wellensittichartigen Vogel
ein köstlich aufgeweichtes Sandwich, wobei der Piepmatz auf dem Tellerrand saß,
vom Teller pickte und ununterbrochen neben diesen auf den Tisch düngte.
Und auch von den Resten des Abendessens kann sich Devon
nicht trennen. Vieles bekommen die Tiere, doch die zerquetschten Scones, die
zur Verfütterung zu schade wären, landen in einem großen Glas auf dem
Küchenschrank, in welchem schon ältere Exemplare seit längerer Zeit vor sich
hin schimmeln.
Als wir von unserer kettenrauchenden Gastgeberin erfuhren,
dass sie einst in Dunedin Ernährungswissenschaften studierte, verstanden wir
die Welt nicht mehr.
Der Abend war schon recht vorangeschritten, sodass wir es
kaum erwarten konnten die neu gewonnen Eindrücke runterschlucken und verdauen
zu können. Nur wo…?! Jetzt geleitete sie uns in einen von außen wie von innen
mit Schimmel überzogen Wohnwagen, in dem sie uns überzeugte, dass die
frischgewaschenen mit „Fliegenteppich“ bezogenen Steppdeckenbetten nur noch
darauf warten, das man es sich gemütlich macht und einen entspannenden Abend
genießt.
Auf diese Weise lagen wir Mitten in der Nacht wach, wieder
auf der zuverlässigen Luftmatratze in unserem anheimelnden Auto, überlegten wie
lange wir es wohl bei so einer Frau aushalten können, die sich in einer momentan
scheinbar unlösbaren Lebenskrise befindet, mit ihrem Vater, der im Krankenhaus liegt
und ihrem Partner der gerade eine Auszeit von ihr nimmt…
Als wir ihre morgendliche Floskelfrage, ob wir uns wohl
fühlen, einfühlsam zu verneinen versuchten, brach für sie eine weitere Welt
voll von Unverständnis zusammen. Unseren Aussagen wurde nicht im Geringsten
Gehör geschenkt, viel mehr tat unsere Gastgeberin so, als wüssten wir uns nicht
sinnvoll verständlich zu machen. Unsere vorsichtige Kritik ging an ihr
scheinbar vorüber, sie ignorierte all unsere Bedenken, konnte uns aber immer
noch nicht sagen, wobei genau wir ihr denn nun eigentlich helfen sollten. Für
uns stand fest, dass wir dieser Frau nicht helfen konnten.
Im nächsten Moment packten wir deswegen bereits nach einer nicht erholsamen
Nacht unsere Sachen und sahen zu, dass wir diesen Ort des Schreckens so schnell
wie möglich verließen. Am liebsten hätten
wir das Auto auf den nächsten Parkplatz abgestellt und wären nach Hause
gerannt, was sich aber wie gefangen auf einer Insel voller Irren, auf der
anderen Seite der Erde etwas schwerlich umsetzen lässt.
Heute reisen wir schon wieder seit drei Tagen, in unserem zum Glück doch nicht abgestellten „Wohnmobil“
durchs Neuseeland, freuen uns erneut über die ausgestatteten Campingplatzküchen
und warten auf den Wochenend-Car Market.
*Herr Regen, Frau Sonne, trotz diese Bezeichnungen, möchten wir
uns vom Sexismus der deutschen Sprache (der Regen, die Sonne, siehe Duden)
distanzieren und keinerlei Grundlage für eine politisch korrekte Debatte
schaffen.
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Paula nach einer erholsamen Nacht im Campmobil |
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Kulinarische Vielfalt auf dem Otara Markt, von gebratener Wurst bis zur... |
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...Wurst am Stiel. |
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Sagenhaften Bäckereien |